Shaolin Kempo - Mein persönlicher Weg zwischen Mystik und Wahrheit

„Die edelste Art Erkenntnis zu gewinnen ist die durch Nachdenken und Überlegung. Die einfachste Art ist die durch Nachahmung und die bitterste Art ist die durch Erfahrung.“(Buddha)

Liebe Leser,

ich möchte darauf hinweisen, dass es meine eigene Geschichte und Sichtweise, basierend auf Erfahrungen und Erlebnissen, ist und ich keinen Anspruch auf historische Korrektheit erhebe.

Mein erster Kontakt mit dieser Kampfkunst war eher unspektakulär und rein zufällig. Mein Interesse an Kampfkunst wurde schon als Kind geweckt, in der Leichtathletikabteilung des Turnvereins meines Heimatortes des Jahres 1972. Dort trainierte ein älterer – für mich als Neunjähriger war das so – kampfsportbegeisterter Mann, der uns Kinder behutsam mit Boxen, Karate und Jiu-Jitsu in Kontakt brachte. Wir trainierten und fuhren zu diversen Trainern, um andere Dinge zu sehen und kennenzulernen. Zu gleichen Zeit boomte in den Kinos das Kung-Fu. Fast in jeder Wochenendvorstellung lief ein neuer, von Bruce Lee inspirierter chinesischer Kung-Fu-Film. Bruce Lee und nach seinem Tod Darsteller mit ähnlich klingenden Namen lieferten sich Kämpfe in der Sonntagsvorstellung. Mitten in diesem Boom strahlte der WDR, neben der ARD und dem ZDF der einzige weitere Fernsehsender, der in dieser Zeit zur Verfügung stand, einen Bericht über einen bärtigen, asiatisch aussehenden Mann aus, der sein Shaolin Kung-Fu präsentierte. Shaolin Kung-Fu, das was über die Kinoleinwand flimmerte, in echt! Das wollte ich lernen, nicht weil ich die Kinofilme und deren Darsteller toll fand, sondern weil mich der reale Bericht fasziniert hatte. Shaolin Kung-Fu in Deutschland, unfassbar und für mich in der Zeit gleichzeitig unerreichbar. Es gab kein Internet, kein Facebook, X (ehemals Twitter) oder andere Social Media, nur diesen Bericht. Wer war das und wo finde ich ihn?  Für mich war klar, diesen Menschen werde ich treffen und bei ihm Shaolin Kung-Fu trainieren, aber es sollte noch ein bisschen dauern. Wie das Leben so spielt, treffe ich einige Jahre später jemanden, der mir von Shaolin Kempo erzählt und mich zu einem Training einlädt. Shaolin Kempo!? Egal, es hörte sich ähnlich an wie Shaolin Kung-Fu, und der Einstieg war schnell gemacht. Eine Verbindung zu dem Bericht, den ich im WDR gesehen hatte, konnte ich nicht herstellen, und es war mir in dem Moment auch egal. Das Training war eine Mischung aus Karate und etwas, was zumindest begrifflich offensichtlich chinesisch war. Das Training machte Spaß und ich habe mich nicht sonderlich über diese Mischung gewundert oder diese hinterfragt. Über meinen Trainer kam ich in Kontakt mit Leuten aus Kamp-Lintfort, die wiederum Kontakt zu einem Shaolin Kempo Trainer in den Niederlanden hatten. Irgendwann war es dann so weit und es ging nach Holland, genauer gesagt nach Doetinchem, um bei einem Schüler eines Herrn namens Meijers Kempo zu trainieren. Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Zusammentreffen mit J.C.A. Brugman in seinem Dojo im Varsseveldseweg. Im Vorraum, eingerichtet wie ein kleines Café, hingen 2 große Bilder. Eines zeigte einen Chinesen und das andere einen bärtigen, asiatisch aussehenden Mann in Uniform. Genau diesen Menschen hatte ich schon mal gesehen, in einem Bericht über Shaolin Kung-Fu im WDR. Eigentlich war es ein Bericht über Shaolin Kempo, aber in der Zeit kam Shaolin Kung-Fu einfach besser an. Für mich war das vor meiner ersten Trainingseinheit allerdings völlig unwichtig. Ein Training, das mein Kampfkunstleben komplett ändern sollte. Es war auch eine Mischung, aber gefühlt, mit ein bisschen Karate in der Grundschule und danach Formen aus dem Chinesischen und anderen Elementen, mit anderen Bezeichnungen, die ich aber zu dem Zeitpunkt nicht einordnen konnte. Aber es war mir egal, es hat Spaß gemacht und niemand hat es nur ansatzweise infrage gestellt. Warum auch? Es hatte Hand und Fuß und ich fühlte mich angekommen. Auf dieses erste Training folgten viele weitere Trainingseinheiten und nie ein infrage stellen dessen, was man lernte. Klar, es hatte nicht wirklich was mit dem Shaolin Kung-Fu zu tun, aber auch nicht mit Karate. Es gab ein paar Parallelen sowohl zu dem einen als auch zu dem anderen. Warum das so war, interessierte eigentlich niemanden derer, die voller Begeisterung beim Training waren.  

Natürlich habe ich in der Zeit schon mitbekommen, dass es zwei Lager in den Niederlanden gab und darüber diskutiert und gestritten wurde, was nun authentisch ist. Aber mich als Schüler hat es weniger berührt. Ich habe in beiden „Lagern“ Shaolin Kempo trainiert und für mich gab es die Diskussion, welches authentischer ist, einfach nicht. 
In den Niederlanden war in Bezug auf Shaolin Kempo, Meijers präsenter. Das hatte sicher damit zu tun, dass Faulhaber früh gestorben ist, aber auch damit, dass bedingt durch den frühen Tod von Faulhaber, sein Shaolin Kempo mehr oder weniger nicht mehr existent war. Meijers hingegen forcierte die Verbreitung seines Shaolin Kempo, vor allem nach dem Bruch mit Faulhaber. 

1986 bat uns Cor Brugman, als seine Assistenten bei einem internationalen Seminar in Mönchen-Gladbach bei Klaus Poestges teilzunehmen. Bis dahin hatte ich zum Shaolin Kempo in Deutschland keinen großen Bezug. Ich kannte den einen oder anderen, aber inhaltlich kannte ich kaum etwas. Klaus Poestges war ein Schüler von Meijers in Deutschland und gehörte zur sogenannten 1. Shaolin Gruppe. Er vertrat den von Meijers entwickelten Stil Chan Shaolin Si, den Meijers nach seinem Umzug nach Deutschland Anfang der 1970er Jahre eingeführt hatte. Für mich schloss sich der Kreis, da ich einen Menschen kennenlernen durfte, den ich in dem damaligen Bericht in den siebziger Jahren ebenfalls gesehen hatte. Aber, das hatte nun so gar nichts mit Shaolin Kempo, wie ich es kennengelernt hatte, zu tun. Für mich als Schüler, der bis dahin die Dinge nicht infrage gestellt hatte, taten sich nun eine Menge Fragen auf.

1987 oder 1988 nahm Andre Golob aus Münster Kontakt zu uns auf und lud uns ein, ein Shaolin Kempo Seminar in Münster zu geben. Andre war ein Schüler von Hermann Scholz aus Kleve. Hermann Scholz hatte zusammen mit Hans Stresius das Meijers Kempo nach Deutschland gebracht. Hans Stresius hatte in einigen späteren Gesprächen mit mir immer wieder betont, dass es eigentlich durch ihn nach Deutschland gekommen ist und Hermann damit nichts zu tun hatte.
Wir fuhren also mit einer kleinen Gruppe nach Münster und gaben ein Shaolin Kempo Seminar dort. Das war mein erster wirklicher inhaltlicher Kontakt zum Shaolin Kempo in Deutschland. Und die gesamte Bandbreite des Stils umfasste noch nicht einmal das, was ich zur Prüfung zum ersten Dan zeigen musste. 5 anstatt 6 Formen, keine höheren Formen, keine Waffen, 30 Kumiten und 10 sogenannte Ippon Kumite und eine Menge SV-Techniken. Für mich, der gerade seine Prüfung zum 2. Dan bei Brugman, Kraft van Ermel und C. Tundo in Holland abgelegt hatte, kaum zu glauben.Das Shaolin Kempo in Deutschland, zumindest am Niederrhein, war fast ausschließlich Meijers geprägt und inhaltlich das, was Meijers nach dem Bruch mit Faulhaber als sein Shaolin Kempo initiierte. Ein kleiner Teil von dem, was ich in Holland kennengelernt hatte. Formen wie z. B. die Shaolin Chuan Fa oder Long Kuen waren kein Begriff. Ebenso waren Waffenformen nicht bekannt. Zusammen mit Kempoka aus Kleve waren die Münsteraner dann die Ersten, die nach dem Seminar in Münster zum Zentraltraining nach Doetinchem kamen. Ab Anfang der 1990er Jahre war das Zentraltraining in Doetinchem eine feste Größe. Wenn ich heute, nach mehr als 30 Jahren, sagen müsste, wer alles dort gewesen ist, müsste ich ehrlicherweise passen. An manche kann ich mich gut erinnern, an andere, die es in ihrer Vita gerne behaupten, gar nicht. Am Ende der 1980er Jahre, als mir klar wurde, dass der Westerwald meine neue Heimat sein würde, habe ich meine erste eigene Schule gegründet. Ich fuhr fast jedes Wochenende weiter zum Training oder zum Unterrichten nach Holland. Gleichzeitig eroberte Kempo den Westwald und wurde eine feste Größe in der Kampfkunstwelt der Region.


1989 wurde der Shaolin Kempo Bond (SKB) in den Niederlanden gegründet und 1993 die Kempo Associatie Nederland (KAN). 1989 habe ich bei Brugman, Kraft van Ermel, C. Tundo und A. Zweers die Prüfung zum 3. Dan abgelegt. 1992 bin ich auf Wunsch von Cor aus der SKB in die DWF gewechselt, wo auch das Shaolin Kempo in Deutschland organisiert war. Hier war ich von 1992 bis 1998 Landestrainer für Rheinland-Pfalz. In dieser Zeit hatte ich viel Kontakt zu Klaus Konrads in Moers aber auch zu Hans Stresius oder Florian Hahn. Für mich persönlich war Shaolin Kempo in einer Wushu Federation ebenso schlecht aufgehoben wie in einem Karate-Verband, das merkte man immer wieder. Darüber hinaus empfand ich das Handeln dieses Verbandes mehr als doktrinär, sodass ich 1998 meinen Abschied erklärte. Shaolin Kempo war weder in der World Wushu Federation noch in irgendeinem Karate-Verband unterzubringen. Die Erfahrung hatte man schon Anfang der Achtzigerjahre beim Versuch, Shaolin Kempo im Karate Bond Nederland zu integrieren, gemacht.
In dieser Zeit entstand bei mir die Idee, insbesondere dem Shaolin Kempo eine Plattform zu geben.

1994 habe ich bei dem Gründungstreffen der European Kempo Union in Belgien, wo ich und Cor eingeladen waren, Daniel Hayen aus Brüssel kennengelernt.  Daniel war international gut vernetzt und lud mich in den Jahren danach immer wieder mal zu Kampfkunstevents ein, wo ich auch die Gelegenheit hatte, mein Shaolin Kempo zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen. So kamen gute Kontakte z. B. zu Stephan Ming, einem Schüler von Jimmy Bax, aus Antwerpen oder Peter Brown aus England und einigen anderen zustande und dadurch wiederum Einladungen zu anderen Events.
Bei einem dieser Events Anfang der 2000er Jahre in Irland habe ich Kampfsportler aus Ungarn kennengelernt, die mich zu einem Wettkampf nach Budapest einluden. Aus dem Wettkampf wurden dann 2 Seminare 2001, weitere in 2002 und neue Kontakte in die Slowakei, nach Rumänien und Russland. 2002 habe ich dann ein 5-tägiges Seminar in Bukarest gegeben, wo meine Idee, Shaolin Kempo und anderen Kempo Stilen eine Plattform zu geben, sehr gut ankam und 2002 zur Gründung der International Kempo Federation (IKF) mit mir als Präsident in Budapest führte. Im Frühjahr 2003 haben mich die Vertreter der K.A.N, Edward Hartman, Codi Dyster und Tjebbe Laeyendecker, in die Niederlande eingeladen, um die Aufnahme der K.A.N. in die International Kempo Federation (IKF) zu besprechen. Seit 2003 ist die K.A.N. Mitglied in der weltweit agierenden IKF.


Zur gleichen Zeit wuchs bei mir der Gedanke, mich aus der Shaolin Kempo Szene, zumindest nach außen sichtbar, zu verabschieden. Ich wollte einfach nicht mehr mit einer Stilrichtung in Verbindung gebracht werden, die gefühlt im Stundentakt neue Könige, selbsternannten Großmeistern, die auf dubiose Weise Dan-Graduierungen bekommen haben, hervorbrachte und leider immer noch bringt und sich ständig in Diskussionen verstrickt. Also, habe ich den Namen geändert. Inhaltlich ist es aber immer noch das Kempo aus den frühen 1960er Jahren.
Bis 2008 war ich Präsident der IKF. Zwischenzeitlich hatte ich die Nachfolge meines Lehrers Cor Brugman angetreten, der sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hatte. 2010 hatte ein guter Kampfkunstfreund aus dem Iran, der selbst einem japanischen Karateverband angehörte, mich dort als Mitglied vorgeschlagen. Der Verband kam daraufhin auf mich zu, mit der Bitte, mein System dort vorzustellen. Eigentlich wollte ich zum einen keine Verbandsarbeit mehr leisten und zum anderen nicht mit einem System, was so sehr wenig mit Karate zu tun hat, in einen Karateverband eintreten. Dennoch bin ich den Schritt gegangen und 2 Jahre später aufgenommen worden. Aber, ohne mich zu verbiegen oder das Shaolin Kempo irgendwelchen Karaterichtlinien zu unterwerfen.


Und heute … glaube ich, ich habe alles erreicht, was man zu Lebzeiten erreichen kann. Und das ohne mich bei irgendwelchen Organisationen angebiedert zu haben, um den nächsten Gürtel zu bekommen oder irgendeine nichtssagende Auszeichnung. 
Ich versuche fast jeden Tag mein Shaolin Kempo zu perfektionieren, unterrichte eine tolle enthusiastische Gruppe, die Kempo mit viel Herzblut betreiben. Habe noch sehr guten freundschaftlichen Kontakt zu einigen der noch lebenden Kempoka der ersten Stunde und bin weltweit immer noch bekannt und gefragt. Bei der IKF bin ich Ehrenpräsident, bei der WBKL Japan seit einigen Jahren passives Mitglied und hin und wieder gebe ich Seminare bei guten Freunden. 
Mich hat Shaolin Kempo geprägt. Eine Kampfkunst, die die Individualität des Einzelnen achtet und fördert und Raum für Gestaltung lässt. Den Übenden dort abholt, wo er steht und nichts Unmögliches verlangt oder in Raster drängt. Ich habe über die Jahre mit vielen Menschen Shaolin Kempo trainiert und viele unterrichtet und egal, welche Diskussionen es heute darüber gibt, eines ist immer noch bei allen die mit und bei mir trainiert haben und trainieren sichtbar, die Begeisterung. 

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